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Autorenbildjuliawacker

Nein zur Musikvielfaltinitiative

BASEL STIMMT AB - liebe Basler Bekannte, das geht euch was an!


Bitte, liebe Basler:innen, nutzt eure Stimme und legt ein NEIN ein.


Ich richte mich hier vor allem an meine langjährigen Freundinnen, Begleiter und Unterstützerinnen sowie an meine Schul-/Jugendfreund:innen, die sich vermutlich am Kopf oder sonstwo kratzen und sich fragen, warum ausgerechnet ich, die trotz vielversprechender schulischer Leistungen den Weg der mittellosen Kunst einschlug und der entsprechend wohl viel daran gelegen sein muss, dass Musik als selbstverständlicher Teil menschlichen (Zusammen-)Lebens verstanden und gewürdigt wird, warum also ausgerechnet ich mich gegen eine derart sympathisch daherkommende, Musik in ihrer Vielfalt unterstützende Initiative ausspreche.


Die Diskussionen laufen heiss in der Basler Musikszene: Am 24. November wird über die Musikvielfaltinitiative abgestimmt. Da in den letzten Wochen in meinem Facebook-/Insta-Feed mit überwiegender Mehrheit Beiträge von der einen Seite kommen (in meiner Social-Media-Bubble befinden sich nun mal viele freischaffende Musiker:innen) und ich doch langsam ein ungutes Gefühl bekomme, fühle ich mich dazu ermuntert mal eine Gegenstimme zu erheben.

Ich wende mich an euch, weil ihr vielleicht meint, mir und meinen Kolleg:innen einen Gefallen zu tun mit einem Ja an der Urne. Das Gegenteil ist der Fall.


Ausgangslage

In Basel leben erstaunlich viele Musiker:innen, der grösste Teil von ihnen ist freischaffend beziehungsweise arbeitet in Teilzeit in der Lehre (Hochschule, Musikschule, Privatunterricht oder allgemeiner Musikunterricht einer Schule) oder einem sonstigen Beruf. Einzig wer im Sinfonieorchester Basel angestellt ist, hat mit anderen Berufen vergleichbar normale Arbeitsbedingungen mit einem normalen Lohn, Sozialleistungen, Ferien. Die Freiberufler:innen arbeiten selbständig und zu grösstenteils miserablen Bedingungen.


Inhalt der Initiative

Für diese Initiative haben sich einige freischaffende Musiker:innen zusammengetan und ihr Augenmerk darauf gelegt, dass der Löwenanteil der Fördergelder an Institutionen und Orchester geht, allen voran das Sinfonieorchester Basel. In Zahlen: 96% der Fördergelder gehen an Institutionen. Davon 90% an Orchester (nebst dem SOB beispielsweise auch das Kammerorchester Basel und die Basel Sinfonietta, beides Orchester, bei welchen die Musiker:innen projektweise eingesetzt und bezahlt werden). Verständlich, dass sich manche:r echauffiert und auch einen Teil des Kuchens haben möchte. Die Forderung der Initiative lautet, dass mindestens ein Drittel der jährlichen Förderung an die Freischaffenden gehen soll. Man könnte diese Musikvielfaltinitiative also durchaus auch als Futterneidinitiative bezeichnen.


Denkfehler und Konsequenzen bei einem Ja

Die Entscheidung, ob umverteilt oder das gesamte Budget erhöht wird, überlässt die Initiative der Politik (!).

Und genau da ist leider der Denkfehler entstanden. Damit das SOB und die anderen Institutionen und Orchester weiter normal funktionieren können, sind sie auf die Gelder angewiesen, die ihnen momentan zugesprochen sind. Sie schwimmen bei weitem nicht in Geld. Entscheidet die Politik ein plötzliches sehr grosszügiges Aufstocken des Kulturbudgets, sind alle sehr glücklich. Die freie Szene bereichert das kulturelle Leben Basels ohne sich selbst ausbeuten zu müssen. Grossartig!

Entscheidet die Politik sich allerdings für eine blosse Umverteilung ohne Erhöhung des Kulturbudgets, sind die Institutionen nicht nur in ihrer Existenz bedroht, sondern werden auf Dauer schlicht verschwinden beziehungsweise in der Bedeutungslosigkeit versumpfen. Das wiederum hätte durchaus beträchtliche negative Auswirkungen auf die Stadt Basel. Es sind ja nicht nur die rund 80 Köpfe mit ihren Instrumenten im Sinfonieorchester davon betroffen, sondern der Kultur-&Veranstaltungsbetrieb sorgt für viele Arbeitsplätze, Tourismusaufkommen etten zetteren — ich will an diesem Ort nicht näher drauf eingehen, warum eine Stadt Kultur braucht. Und hiermit kommen wir zur:


Ausstrahlungskraft und Qualitätsgarantie

Die zurzeit geförderten Institutionen müssen sich regelmässig rechtfertigen, die Förderungen sind an Bedingungen/einen Leistungsauftrag geknüpft. Ausserdem hat sich, wer in den Orchestern arbeitet mit einem Probespiel gegen internationale Konkurrenz durchgesetzt und sich in einer langen (1 Jahr) Probezeit bewährt.

Ich gehe nur auf 3 dieser unterstützten Orchester näher ein (und ja, ich spiele bei allen gelegentlich und bin entsprechend teils von ihrer Existenz abhängig): Das SOB ist wie bereits erwähnt das einzige eigentliche Berufsorchester in Basel und Umgebung. Oper und Sinfoniekonzerte, Kinderkonzerte, internationale Stars am Dirigentenpult oder als Solist:innen — das braucht nun mal Geld, will man auf hohem Niveau bleiben. Die Basel Sinfonietta ist das einzige grosse Orchester weit weit weit herum, welches sich der Aufführung zeitgenössischer Musik verschrieben hat. Diese Saison gehts u.a. auf Tour in die Elbphilharmonie und die Berliner Philharmonie — auch das ist alles andere als selbstverständlich; es steckt jahrelange Arbeit dahinter. Das Kammerorchester Basel ist das Tourenorchester schlechthin, bespielt weltweit die schönsten Säle und konzertiert mit den größten Solist:innen.

Es besteht hiermit also eine Qualitätsgarantie, die bei den Freien nicht per se gegeben ist. Natürlich gibt es fantastische Musiker:innen in der freien Szene, die interessante Projekte realisieren, bestimmt auch spannendere, radikalere Projekte, als sie in den Institutionen aufgeführt werden. Sie sollen mehr Unterstützung bekommen! Nur nicht auf Kosten anderer…


Der Geldregen

…wird eher nicht auf uns niederprasseln. Eine derart beträchtliche Erhöhung des Kulturbudgets, dass die Institutionen wie gewohnt ihren Job machen können und dass daneben die freie Szene auch automatisch versorgt ist, ist doch eher unwahrscheinlich. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten die Kultur nicht unbedingt an erster Stelle steht bei der Frage nach Budgeterhöhungen.

Diese Initiative ist mir also ein viel zu gefährliches Pokerspiel.


Fazit

Ja, mir ist Musik wichtig. Und ja, es gibt bei weitem nicht nur die europäisch-klassische E-Musik (natürlich wird trotz jahrzehntelanger Bemühungen Grenzen einzureissen, die man selbst tapfer gezogen und verteidigt hat, immer noch zwischen sogenannter Ernster Musik, eben E-Musik, und Unterhaltungsmusik, U-Musik, unterschieden).

Und natürlich hat nicht nur die klassische Musik Wertschätzung in Form von fairen Arbeitsbedingungen verdient. Dies muss allerdings auf anderem Weg als dem des Absägens bestehender und bewährter Institutionen geschehen. Ich werde mich gerne beteiligen bei einer Neuauflage und stehe logischerweise ein für die freie Szene. Diese Musikvielfaltinitiative ist jedoch klar abzulehnen.



Zur weiteren, viel detaillierteren



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